Ostpreußische Orte

Die namensgebende Ostpreußische Orte

Wer vom S-Bahnhof Heerstraße zum Teufelsberg läuft, dem fällt auf, dass die Straßen links und rechts der Teufelsseechaussee Namen von Städten tragen, die vertraut klingen, aber die kaum jemand mehr kennt. Das liegt daran, dass die Straßen der Siedlung Heerstraße und der Wohnquartiere hoch bis zur Havel und zum Olympiastadion während ihrer Bauzeit (1914-1939) nach ostpreußischen Orten und Städten benannt wurden, die heute zu Polen oder Russland gehören.  Wir möchten an dieser Stelle etwas über die Geschichte der ostpreußischen Namenspatronen der Straßen rings um den Teufelsberg schreiben. Mehr dazu in meinem im Frühjahr 2013 im Pharus-Plan-Verlag erscheinenden Stadtteilführer.

Übersichtskarte der namensgebenden Orte

Sensburg
Die 22.000 Einwohner große einstige Kreisstadt liegt heute im polnischen Teil Ostpreußens und heißt 
Mrągowo. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten der Region hat die historische Altstadt den Zweiten Weltkrieg und den Einmarsch der Roten Armee recht glimpflich überstanden. Sehenswert sind heute zum Besipiel noch das Rathaus, mehrere Kirchen und der ehemalige Bismarckturm. Der bekannte Fußballspieler Udo Lattek wurde hier geboren.

 
Pillkallen
Lediglich 1.700 Einwohner zählt das Dorf Dobrowolsk heute. Es liegt in der russischen Oblast Kaliningrad. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Pillkallen sogar eine Kreisstadt. 1938 wurde Pillkallen von den Nazis in den “deutscher” klingenden Ortsnamen “Schloßberg” umbenannt. Der alte Name geht auf eine prussische Burg zurück. Pilkallen wurden sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg von der russischen Armee stark zerstört.

Mohrungen
Der Kreis Mohrungen war der am westlich gelegensten und der seenreichste Landkreis Ostpreußens. Die einstige Kreisstadt Mohrungen, heute Morąg, liegt in der Nähe der heute polnischen Stadt Elbing am Oberlländischen Kanal. Berühmtester Sohn der Stadt ist der Philosoph Johann Gottfried Herder.

Arys
Das Örtchen Arys, heute polnisch Orzysz, hat nicht einmal 6000 Einwohner. Bekannt wurde der am Rande der Masuren gelegene Ort durch einen riesigen Truppenübungsplatz. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde Arys durch die russische Armee stark zerstört.

Stuhm
Der Landkreis Stuhm gehörte eigentlich bis 1922 zur Provinz Westpreußen. Nach dem Versailler Vertrag gab es aber in Westpreußen eine Volksabstimmung, ob die Bevölkerung der Landkreise lieber im Deutschen Reich verbleiben wollen oder zum neugegründeten Polen gehörig sein möchten. Im Gegensatz zum Großteil Westpreußens votierte man in Stuhm für Deutschland, sodass dieser Kreis als einer der wenigen der einstigen Provinz deutsch blieb und an Ostpreußen angegliedert wurde. Seit 1945 ist Stuhm wie ganz Westpreußen polnisch, die Kreisstadt heißt Sztum und hat etwa 10.000 Einwohner.


Heilsberg
Auch Heilsberg war ein ostpreußischer Landkreis. Die Kreisstadt Heilsberg hat 18.000 Einwohner und liegt in der Region Ermland-Masuren. Sie gehört heute zu Polen und heißt 
Lidzbark Warmiński. Heilsberg liegt in einer Flussschleife und galt langezeit als schönste Stadt Ostpreußens. Im Krieg wurde sie deutlich geringer als andere Orte der Region zerstört, sodass heute noch ein Besuch lohnt: In der Altstadt stehen einige historische Straßenzüge. Auch diverse Kirchen, Stadttore und das Schloss sind gut erhalten.

Passenheim
Da im Ersten Weltkrieg die nahegelegene Kreisstadt Ortelsburg zerstört wurde, erlangte das verschlafene Städtchen Passenheim kurzzeitig Bedeutung. Im Zweiten Weltkrieg wurde dagegen Passenheim stark zerstört. Die Lage inmitten der polnischen Masuren ist zwar touristisch sehr reizvoll, aber die Strukturschwäche der Region machte sich auch hier nach der politischen Wende in Polen bemerkbar, viele Einwohner wanderten ab, 1997 verlor das heute 
Pasym genannte Örtchen die Stadtrechte, heute leben hier etwa 5000 Einwohner.

Angerburg
Inmitten der Masuren liegt Angerburg. Für den Fremdenverkehr hatte es zu deutschen Zeit große Bedeutung, u.a. durch die Eissegel-Meisterschaften und eine Schiffsverbindung über die Angerapp. Auch heute hat die Stadt, polnisch 
Węgorzewo genannt, touristische Qualitäten. Städtebaulich ist aber nicht viel Sehenswertes übrig geblieben, die Stadt wurde in den letzten Kriegstagen von der Roten Armee zu 80% zerstört. Heute liegt sie unweit der polnisch-russischen Grenze.

Tharau
Das kleine Dörfchen Tharau liegt im heute russischen Teil Ostpreußens und heißt seit 1946 Wladimirowo. Bekannt wurde der unscheinbare Ort durch eine Pfarrerstochter namens Anna, die 1615 hier geboren wurde und vom Dichter Simon Dach Einzug in ein Volkslied erhielt. In Königsberg gab es vor dem Krieg auch eine Statue vom “Ännchen von Tharau”.

Sarkau
Das Dörfchen 
Lesnoi, wie Sarkau heute auf Russisch heißt, liegt an der schmalsten Stelle der Kurischen Nehrung und zählt gerade einmal 500 Einwohner. Bekannt war die ärmliche Region um Sarkau einst wegen der “Krähenbeißer”, also Einwohnern, die Krähen aßen und ihnen zuvor die Köpfe abbissen. Krähen hielten zum Teil sogar Einzug auf den Speiseplan einiger Hotels des späteren Badeorts. Heute lebt der einstige Fischerort von einem beschaulichen, meist russischen Tourismus. Es gibt ein Heimatmuseum und ein Büro für Ökotourismus.

Schirwindt
Den kleinen Ort Kutusowo,das einstige Schirwindt, an der heute russisch-litauischen Grenze gibt es nicht mehr. Im letzten Krieg traf es ihn schon hart, er wurde als erster deutscher Ort im Oktober 1944 von der Roten Armee erobert. Nach dem Krieg wurde der stark zerstörte Ort aufgrund seiner Grenzlage zu einem Militärposten. Außer Resten der alten Schule erinnert heute nichts mehr an die Wüstung Schirwindt.

Trakehnen
Der Ortsname Trakehnen dürfte einer der heute noch bekanntesten sein. Berühmt wurde das Gestüt Trakehnen, auf der eine eigene Pferderasse, die Trakehner, gezüchtet wurden. Das Gestüt, einst vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. als preußisches Hauptgestüt gegeründet, gibt es in dem seit 1945 russischen Jasnaja Poljana nicht mehr. Heute erinnert nur noch ein kleines Museum in der Landwirtschaftsschule an den einstigen Stolz des Dorfes.

Rominten/Rominter Heide
Einst preußisches Jagdgebiet ist heute die Rominter Heide, russisch Krasnij Les, polnisch Puszcza Romincka, ein riesiges Naturschutzgebiet beiderseits der Ostpreußen teilenden Grenze zwischen Polen und Russland. Einst gingen hier Kaiser Wilhelm II. und der selbsternannte “Reichsjägermeister” Hermann Göring auf die Pirsch. Das war sicher auch ein Grund, weshalb die Nazis die prominent vor dem Berliner Olympiastadion liegende Straße anlässlich der Olympischen Spiele 1936 nach dem Ort Rominten benannte, heute übrigens ein russischer Ortsteil Tollmingkehmens Krasnolessje, in dem etwa 400 Einwohner leben. Die Rominter Heide zählt zu einer der Hauptattraktionen Ostpreußens.

Rossitten
Das heute russische Örtchen Rybatschi liegt malerisch auf der Kurischen Nehrung umringt von Wanderdünen. Eine bekannte Vogelwarte existierte hier, auch erste Flugversuche unternahm der Pionier Ferdinand Schulz hier. Touristisch konnte der Ort nahe der russisch-litauischen Grenze nicht an die Bedeutung von vor dem Krieg anknüpfen. Der Rossiter Weg (er heißt seit 1936 so) ist der Fußweg vom U-Bahnhof zum Olympiastadion, den Tausende von Fußballfans jedes Wochenende bevölkern.
 
Straßenzüge südlich der Heerstraße

Lyck
Das fast 60.000 Einwohner zählende polnische Städtchen 
Ełk hieß bis 1945 Lyck und war die Heimat des Schriftstellers Siegfried Lenz. Die teilweise noch erhaltene historische Altstadt liegt malerisch umrandet vom Lycksee. Lyck wird oft als “geistiges” Zentrum der Masuren genannt und ist touristisch gut erschlossen.

Ortelsburg
Die heute Szczytno genannte Stadt im Zentrum der polnischen Masuren wurde im Ersten Weltkrieg von den einmarschierenden russischen Truppen stark zerstört. Heute befindet sich hier der internationale Flughafen der Masuren. Die BVG-Chefin Nikutta ist hier geboren.


Tannenberg
Der Ort liegt in den Masuren, heißt Stębark, erlangte traurige Berühmtheit durch zwei große Schlachten: 1410 unterlag der Deutsche Orden dem polnisch-litauischen Heer, 1914 besiegten die deutschen Truppen Russland. 
Die Polen erhoben die Schlacht von 1410 zum Mythos (in jeder polnischen Stadt gibt es eine nach “Grunwald” (so hieß der Ortsteil von Tannenberg) benannte Straße, die Nazis feierten den Sieg von 1914 und bauten ein größenwahnsinniges Denkmal, welches im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Insterburg
Die einstige Kreisstadt heißt heute Tschernjachowsk, hat über 40.000 Einwohner und liegt im östlichen Teil der russischen Exklave Kaliningrad. In Insterburg fließen Angerapp und Inster zusammen und bilden den Fluss Pregel, der durch Königsberg fließt. Mit der Stadt verbunden sind die Schriftstellerin Frieda Jung, die hier starb und der Architekt Hans Scharoun, der lange Jahre hier sein eigenes Büro hatte. Der Komödiant Ingo Insterburg (Interburg & Co, zusammen mit Karl Dall) wurde in Insterburg geboren.

Tapiau
Die etwa 14.000 Einwohner große Kleinstadt lag aufgrund ihrer Nähe zum großen Königsberg oft in dessen Schatten. Das war aber auch 1945 ein glücklicher Umstand für das heutige russische Gwardeisk, denn die Zerstörungswut der einmarschierenden Truppen traf eher Königsberg – heute ist noch verhältnismäßig viel historische Bausubstanz in Tapiau erhalten.

Johannisburg
Die knapp 28.000 Einwohner große, heute polnisch Pisz genannte Stadt Johannisburg liegt am Südrand der Masuren. Sehenswert sind, neben der Johannisburger Heide, Reste der historischen Altstadt, das Rathaus und die Stadtkirche.

Hohenstein
Nur etwas mehr als 7.000 Einwohner zählt das polnische Olsztynek heute. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Hohenstein beliebtes Ausflugsziel für Touristen, die zum 1928 erbauten Tannenbergdenkmal ( –> Tannenberg ) pilgerten, um an zwei auf den Hügeln um Hohenstein und Tannenberg stattgefundenen Schlachten zu gedenken. Unter den Nazis wurde Tannenberg zum Mythos hochstilisiert. Die Polen rissen das gigantomanisch wirkende Tannenbergdenkmal ab.

Kranz / Cranz
Eigentlich hieß das Seebad an der Samlandküste vor 1945 “Cranz”, heute heißt der russische Ort Selenogradsk. Seit dem 19. Jahrhundert war Cranz der Badeort der Königsberger, denn es war nur eine knappe Stunde entfernt und lag malerisch am Übergang der Steilküste zur Kurischen Nehrung. In russischer Zeit hat der 13.000 Einwohner beheimatende Badeort viel von seinem Charme eingebüßt, dennoch es ist er immer noch beliebter Ausflugsort der Königsberger.

Rauschen
Das 10.000 Einwohner große Seebad Rauschen stand lange im Schatten des mondäneren Seebads Cranz. Cranz lag auch bedeutend näher an Königsberg und war durch die Eisenbahn schneller erreichbar. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte das dann russisch gewordenene Swetlogorsk größeren Ruhm. Liegt Rauschen auch sehr wildromantisch oberhalb einer hohen Steilküste, die man damals wie heute mittels einer Seilbahn bezwingen kann, um zum Strand, an dem seit eh und je häufig Bernstein angeschwemmt wird, zu gelangen.

Stallupönen
Die Kreisstadt Stallupönen (wurde in der Nazizeit in das “deutscher” klingende “Ebenrode” umbenannt) war Zentrum eines der östlichsten Kreise Ostpreußen (u.a. lag das Gestüt Trakehnen im Kreis). Nach 1945 wurde die Stadt Stallupönen russisch und in Nesterow umbenannt. Der nur noch 5.000 Einwohner zählende Ort liegt gerade einmal zwölf Kilometer von der litauischen Grenze entfernt, an der ehemaligen Reichsstraße 1 nach Berlin und Aachen.

Ragnit
Ragnit heißt heute russisch Neman, so wie der Fluss Memel, an der die fast 12.000 Einwohner große Stadt liegt. Die Stadtgründung geht auf eine prussische Burg zurück, die später vom Deutschen Orden übernommen wurde und 1829 abbrandte. Heute liegt die Stadt mit der markanten Burgruine an der russisch-litauischen Grenze.

Straßenzüge in der “Siedlung Heerstraße”

Die Siedlung Heerstraße, erbaut 1919-1926 ist schon sehenswert an sich, doch an dieser Stelle wollen wir hauptsächlich auf die Geschichte der Orte eingehen, dessen Namen Pate für die Straßen in der Siedlung standen. Die Gemeinnützige Baugesellschaft Berlin-Heerstraße sollte hier zwischen Grunewald und Heerstraße Reihen- und Doppelhäuser für Beamte errichten. Bauherr war Bruno Möhring, erste Planungsentwürfe gehen auf Max Taut zurück. In den über 200 Häusern lebte die Gartenstadtidee jener Zeit auf, 1921 wurde ein Siedlerverein gegründet – der heute älteste Deutschlands.

Lötzen
Die Stadt 
Giżyckowie Lötzen auf polnisch heute heißt, liegt direkt am malerischen Löwentinsee. Das ist auch der Hauptgrund, warum die etwa 30.000 Einwohner zählende ehemalige Kreisstadt touristisch in den Masuren recht bedeutend ist. Sehenswert sind heute noch das Schloss und Reste der Festungsanlagen. Der polnische Ortsname geht übrigens auf den Nachnamen eines evangelischen Pfarrers im 19. Jahrhundert zurück, der sich sehr für die Etablierung der polnischen Sprache und Kultur in den Masuren zu deutschen Zeiten einsetzte.
Boyen (Boyenallee) ist übrigens der Name einer zwischen 1847 und 1855 errichteten preußischen Festung in Lötzen.


Marienburg
Etwa 60 Kilometer südlich von Danzig liegt die trutzige Ordensburg Marienburg, heute polnische Malbork am Fluss Nogat. Zwischen 1309 und 1454 erbaut ist sie bis heute der größte Backsteinbau Europas. Die Burg ist heute Weltkulturerbe. Benachbart liegt die ehemalige Kreisstadt Marienburg, in der heute fast 40.000 Einwohner wohnen. Der Ort markiert die Grenze zu Ostpreußen und liegt an der historischen Ostbahnverbindung Berlin-Königsberg.

Neidenburg
Etwa 15.000 Einwoher zählt die ehemalige Kreisstadt am Süden des Ostpreußischen Oberlandes, am namensgebenden Fluß Nida gelegen. Heute heißt Neidenburg polnisch Nidzica und liegt unweit zur Grenze der Hauptstadtswojewodschaft Masowien. Neidenburg wurde im Ersten und im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, es sind noch das Rathaus und die Pfarrkirche erhalten. Die wiederaufgebaute Ordensburg ist ebenfalls sehenswert.

Soldau
Heute polnisch Działdowo, 21.000 Einwohner ist historischer Eisenbahnknotenpunkt, unweit Neidenburg. Die Stadt wurde, obwohl nach dem Ersten Weltkrieg die Volksabstimmung positiv für Deutschland ausfiel, aufgrund ihrer strategischen Lagen als Eisenbahnkreuzung im sog. “Korridor” zwischen Königsberg und Berlin an Polen übergeben. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie kurzfristig wieder Deutsch. Die Stadt wurde stark zerstört.

Frauenburg
Das polnische Frombork ist Grenzstadt zur russischen Oblast Kaliningrad. Damals wie heute ist es bekannt für seinen Dom aus dem 14. Jahrhundert, in dem Nikolaus Kopernikus sein Weltbildparadigmen entwicklen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt so stark zerstört, dass sie bis 1959 ihre Stadtrechte verlor. Noch heute wohnen kaum 4.000 Einwohner hier – Hauptanziehungspunkt bleibt aber die Kathedrale auf einem Hügel oberhalb des Frischen Haffs.

Willenberg
Am südlichen Rand der Masuren liegt die knapp 2.600 große Gemeinde Willenberg. Vor dem Zweiten Weltkrieg war das heute polnische Wielbark Grenzstadt zwischen dem deutschen Ostpreußen und dem polnische Masowien. In beiden Weltkriegen kam es zu erheblichen Zerstörungen. Heute liegt unweit Willenbergs der internationale Flughafen der Masuren.


Kurland
Im Gegensatz zu anderen Straßen in der Siedlung ist hier keine ostpreußische Stadt Namensgeber. Kurland ist die historische Bezeichnung einer der vier Regionen Lettlands im Baltikum. Der Name Kurland (wichtige Städte Mitau und Libau) ist aber, ebenso wie Ostpreußen, eng mit der Geschichte des Deutschen Ordens verknüpft.